Dasein als 5 Rhythmen-Lehrer

Buddha mit verbundenen Augen

Auch wenn der Winter uns in diesen Tagen mit den letzten Schneeflocken einen letzten Gruss aus seiner grossen Stille schickt, so scheint mir aus den ersten zarten Frühlingsknospen in diesem Jahr ein besonders kraftvoller und lebendiger Saft zu treiben: so unendlich wild und voller starker Möglichkeiten. Vielleicht wirkt dieses Frühlingserwachen aber auch nur deswegen so stark in mir, weil ich mich seit ein paar Monaten so richtig verliebt fühle. Dabei ist es keine Beziehung im aussen, die mich dermassen fasziniert. Nein, das Liebesglück beschert mir -so banal es klingen mag- mein eigenes Tanzen. Ich halts kaum einen Tag ohne bewusste Bewegung aus und tanze bei meinen 5 Rhythmen-Lehrer-KollegInnen oder ganz alleine in meiner Wohnung, was das Zeug hält. Seit dem tragischen Tod meines Freundes Joel, der in mir wie ein Katalysator auf vielen Ebenen ganz neue Energien freigesetzt hat wie kein anderes Ereignis in meinem Leben, scheint mein Körper auch auf tiefster Zellenebene zu kapieren, dass sein erstes Geburtsrecht in dieser Welt einfach nur genussvolles Bewegen und Entspannen ist.

Erdglobus in Buddhas Schoss

Und so gönne ich ihm neben dem Tanzen so viel wie möglich an genussvollen Tätigkeiten: entspanntes Meditieren, Saunieren, Spazieren, stundenlang auf einer Parkbank sitzen, nichts tun und dem Frühlingszwitschern der Vögel lauschen, Zugfahren mit geschlossenen Augen, gut essen gehen, das Entdecken von neuen Bewegungen beim Unterwassertanzen im Thermalwasser, und natürlich auch massiert und sinnlich berührt werden. Anfangs hat mich dabei recht irritiert, dass ich die meiste Zeit in diesem lustvollen Dasein ganz mit mir alleine verbringe. Ich fühle mich so sehr in mein eigenes Sein verliebt, wie wohl mein ganzes Leben nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass es mir in den normalen Alltagskontakten schnell passiert, in eine alte ängstliche Sucht zurückzufallen, in der ich glaube, Menschen bestätigen zu müssen oder selbst bestätigt und wertgeschätzt werden zu wollen. Die netten „Hoi, wie gohts…?“-Rituale kommen mir da fast schon als Energieverschwendung vor. Begegnungen mit Menschen interessieren mich viel mehr, wenn sie von Herzen ehrlich sind, auch wenn das manchmal weh tut. Ich fange an, Menschen zu schätzen und zu lieben, die mich in meinen Erwartungen enttäuschen. Ihre Ehrlichkeit wirft mich auf mein eigenes Sein zurück, in dem ich immer mehr spüren kann, dass ich gar niemanden im aussen brauche, um wirklich glücklich zu sein. Ich freue mich über Begegnungen mit Menschen, die mir unheimlich sind oder sogar Angst machen. Ihnen begegne ich wie auf einem Abenteuerspielplatz, auf dem meine spontanen, spielerischen, sinnlichen, verführerischen und mutig forschenden Anteile zum Zuge kommen können. Dort kann sich eine Stärke und Kraft in mir entwickeln, die sich traut, mit der wilden und freien Unberechenbarkeit des Lebens in Kontakt zu gehen. Unkontrollierbare Begegnungen zeigen mir so klar, dass ich das Leben nicht im Griff habe. Es ist viel befreiender, einer höheren Macht die Regie zu übergeben, die mich in ihrer Weisheit auch durch schwierige Momente führen kann, als aus meinem kleinen und beschränkten Verstandes-Ich heraus zu handeln. Es spult mit seinen Bewertungen, alten Glaubenssätzen und einem unnötigen Sicherheitsdenken eh nur die immer gleichen und mit der Zeit langweiligen Verhaltensmuster ab.

Buddha-Altar
5 Rhythmen-Altar von Jacqueline Widmer

Für mein Dasein als 5 Rhythmen-Lehrer hat das enorme Konsequenzen. Immer weniger verstehe ich mich als Lehrer im klassischen Sinne, der glaubt, seinem Gegenüber etwas zu vermitteln, das er noch nicht weiss. Im Gegenteil: Ich bin in echten und authentischen Begegnungen genauso unwissend wie mein Gegenüber. Eigentlich geht es mir nur darum, dass wir in unserem tänzerischen Zusammenkommen unsere authentischen Energien im Körper durch Bewegung freisetzen und dabei unsere Vorstellungen und Ideen voneinander immer mehr aufgeben. Das lässt auch tief sitzende Sicherheitsmuster dahin schmelzen und gibt dem Leben eine grosse Chance, dass es uns packt und uns seine Wunder mit der ganzen Grossartigkeit und Schönheit offenbart, wie es nicht mal der intelligenteste Mensch aus sich heraus leisten könnte. Alles was darin auftaucht, ist ein unglaubliches Wunder: einzigartig, unbändig frei und unvorhersehbar. Wer einmal von diesem unbändige Kraftstrom des Lebens erfasst worden ist, dem wird ziemlich schnell klar, wie unnötig und geradezu lächerlich es ist, da irgendetwas halten oder kontrollieren zu wollen. Da ist kein Augenblick wie der andere. Der Moment, in dem du diese jetzt Zeilen liest und alles was du dabei empfindest, denkst oder fühlst wird niemals mehr so wieder kommen. Er ist das ganze Leben, das es gibt. Alles geschieht nur jetzt auf völlig unberechenbare Art. Wieso sollte ich da mit der Arroganz eines Wissenden auftreten, der von sich behauptet, etwas mehr von diesem Wunder verstanden zu haben und Menschen dazu zu zwingen, sich seiner Lehre anzuschliessen. Die Zeit der Gurus, der Religionsführer, der Politiker und Lehrer, aber auch die Zeit von grossen Weltverbesserungs-Ideen, ihrer Hoffnungsträger und deren revolutionären Potenzial scheint mir auszulaufen. Das grosse Wunder des Lebens, das in seiner Essenz reine Liebe ist, scheint sich viel kraftvoller in den Menschen auszubreiten, die bereit sind einander unvoreingenommen zu begegnen: wehrlos und ohne Konzepte, wie die anderen oder man selbst sein sollte, um richtig oder gut zu sein. Jesus hat von den „Armen im Geiste“, von denen, „die reinen Herzens sind“ gesprochen, denen das Himmelreich gehört. Sie haben nichts zu verlieren, nichts zu verbergen, sie sind einfach wie sie sind. Und überzeugen darin auf so ganz andere Weise viel kraftvoller als die gewieftesten Machtpolitiker a la Trump und Putin.

In diesem Sinne sehe ich meine Tätigkeit nicht mehr als ein Wissen vermittelnder Lehrer, sondern viel mehr als einer, der alles dafür gibt, ein Energiefeld herzustellen, in dem Menschen sich so wohl fühlen, dass sie das Risiko eingehen, sich nackter, unverblümter, unschuldiger, verletzlicher und unwissender zu zeigen, als dass sie es normalerweise in ihren falschen Alltagsidentitäten tun. Wenn sie sich so ehrlich begegnen, wird ihnen das Leben von selber alles Wissen schenken, das es braucht, um auf diesem Planeten glücklich, frei und in Frieden miteinander leben zu können.

In diesem Sinne freue ich mich auf die kommenden Tanzanlässe als einem Willkommensraum für dein ungeschminktes Dasein, das sich wild und frei in Bewegung bringen will.

Mit einem tänzerischen Herzgruss

Andreas